17.06.2016

EEG-Novellierung

Oberbürgermeister Bertram Hilgen und die Städtischen Werke warnen vor Auswirkungen für Energiewende in Nordhessen

Kassel, 17. Juni 2016. Die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) droht die Energiewende in Nordhessen und die hochgesteckten Klimaschutzziele stark auszubremsen. Davor warnte Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen nach der heutigen Aufsichtsratssitzung der Städtische Werke AG. Hilgen ist Aufsichtsratsvorsitzender des nordhessischen Energieversorgers. 

 

„Wenn das Gesetz in der jetzt diskutierten Form kommt, heißt das, dass die Städtischen Werke die Windenergie in Nordhessen nicht mehr ausbauen können. Denn sie würden dann mit der Windenergie schlicht kein Geld mehr verdienen können, obwohl es in Nordhessen noch genügend Potenzial für Windparks gibt“, erklärt der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Bertram Hilgen. 

 

Dr. Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Städtischen Werke, betont: „Windenergie wird dort gebraucht, wo sie auch verbraucht wird. Das ist bei uns in Nordhessen der Fall. Wir haben genügend Last. Zudem hat Nordhessen auch keinen Netzengpass, wie behauptet wird. Die Windenergie bringt unsere Netze nicht an ihre Kapazitätsgrenzen. Unsere bisherigen Windparks sind sogar unmittelbar an unsere Umspannwerke in Kassel angeschlossen.“ 

 

Feste Einspeisevergütung entfällt

Betreiber größerer Wind- und Solarparks sowie von Biogasanlagen sollen künftig keine festen Einspeisevergütungen mehr erhalten. Die Projekte sollen stattdessen ausgeschrieben und an den Bieter vergeben werden, der die geringsten Vergütungen verlangt. „Diese Regelung schließt kleinere und mittlere Projektierer faktisch aus. Denn bevor man ein seriöses Angebot abgeben kann, muss das Projekt baureif entwickelt werden. Für Windparks wie beispielsweise im Söhrewald oder auf dem Rohrberg kostet das jeweils über eine Million Euro. Für Bürgerenergiegenossenschaften und kleinere Stadtwerke wäre es zu riskant, in Vorleistung in solcher Höhe zu gehen. In letzter Konsequenz heißt das: Große Projektierer bauen in Nordhessen Windparks und die Bürger werden nicht beteiligt“, so Dr. Thorsten Ebert, Vorstand der Städtischen Werke und für Erneuerbare-Energien-Projekte verantwortlich. Das beispielhafte Konzept der Städtischen Werke und der Stadtwerke Union Nordhessen (SUN) zur Energiewende in Nordhessen wäre ganz konkret in Gefahr. Bürgerbeteiligungsmodelle, wie sie die Städtischen Werke und die SUN inzwischen mehrfach erfolgreich umgesetzt haben, würden absehbar stark eingeschränkt oder sogar in der bekannten Weise nicht mehr möglich sein. 

 

Referenzertragsmodell bevorteilt Norden

Problematisch sei auch das angedachte einstufige Referenzertragsmodell im Rahmen der Ausschreibung. Windreiche Standorte im Norden der Republik werden dadurch im Wettbewerb deutlich bevorteilt. Die Folge sind mehr Projekte im Norden Deutschlands, wo bereits starke Netzengpässe bestehen und Abschaltungen erfolgen. Für Mittel- und Süddeutschland, wo ausreichend Kapazitäten für die Einspeisung von Windstrom zur Verfügung stehen, bedeutet dies wesentlich geringere Chancen, einen angemessenen Zuschlag für eine Vergütung für Windstrom zu erhalten. Dabei wäre die kostengünstige Windenergie gerade im Süden Deutschlands wichtig, wo die meisten Atom- und Kohlekraftwerke vom Netz gehen, bevor die Stromtrassen Norden und Süden verbinden können. 

 

Sonderdegression stellt Rechtssicherheit in Frage

Werke-Vorstandschef Maxelon warnt auch vor der geplanten Sonderdegression für Projekte, die sich aktuell in der Umsetzung befinden: „Wir stehen mit dem Windpark Kreuzstein kurz vor der Umsetzung und haben, im Vertrauen auf die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen des EEG 2014, bereits viel Geld investiert. Die nun kurzfristig vorgesehene Sonderdegression belastet das Projekt kurz vor der Realisierung so stark, dass der Bau in Frage steht.“ Damit sei auch offen, inwieweit die angedachte Bürgerbeteiligung an diesem Windparkprojekt mit dem Wertschöpfungspotenzial von über 60 Millionen Euro für die Region tatsächlich stattfinden könne. Es stelle sich die Frage, ob der Politik ausreichend bewusst sei, welche Konsequenzen die geplante Sonderdegression bezüglich eines großen Vertrauensverlustes in rechtsstaatliche Regelungen haben werde. Der Windpark Kreuzstein soll mit acht Windkraftanlagen ab Herbst 2017 jährlich knapp 64.000.000 Kilowattstunden Strom erzeugen und damit 25.000 Haushalte versorgen. 

 

Pacht überbewertet

Eine weitere Gefahr für die regionale Energiewende sieht der Städtische Werke-Vorstand Ebert bei der derzeit gängigen Vergabepraxis von staatlichen Flächen in Hessen. „Wenn rein nach angebotener Pachthöhe Flächen an Investoren vergeben werden, dann erzielt das Land nur auf den ersten Blick höhere Einnahmen. Das IdE (Institut dezentrale Energietechnologien) hat im Auftrag der SUN eine Studie erstellt, aus der hervorgeht, dass Windparks, die von regionalen Projektierern unter Einbeziehung der regionalen Wirtschaft entwickelt, gebaut und betrieben werden, eine im Vergleich zu Windparks von externen Projektierer achteinhalb Mal höhere Wertschöpfung für die Region erwirtschaften. Bei der Vergabe an einen überregionalen Projektentwickler gehen bei einem durchschnittlichen Windpark zirka 50 Millionen Euro regionale Wertschöpfung verloren. Und dass reduziert auch die Einnahmen im Landeshaushalt überdurchschnittlich.“